Überschussbeteiligung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Die von einem Versicherer in seinen Bedingungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klauseln über die Überschussbeteiligung in Zusammenhang mit sog. Telematiktarifen sind unwirksam.
Dies hat jetzt der Bundesgerichtshof auf die Klage eines Verbraucherschutzverbandes entschieden. Die Versicherung in einem von der beklagten Versicherungsgesellschaft angebotenen Berufsunfähigkeitstarif setzt die Teilnahme der versicherten Person an einem sogenannten „Vitality Programm“ voraus. Die Teilnehmer des Programms können durch bestimmte Verhaltensweisen, insbesondere sportliche Aktivitäten oder durch Arztbesuche, Punkte ansammeln. Abhängig von der Zahl der gesammelten Punkte werden die Teilnehmer in einen sogenannten „Vitality Status“ eingestuft, der entweder „Bronze“, „Silber“, „Gold“ oder „Platin“ sein kann. Das von der Versicherungsgesellschaft gegenüber den Versicherungsnehmern verwendete Klauselwerk enthält in diesem Zusammenhang auszugsweise die folgenden Regelungen:
§ 20 Wie sind Sie an unseren Überschüssen beteiligt?
(…)
(4) Gesundheitsbewusstes Verhalten
Berücksichtigung des sonstigen gesundheitsbewussten Verhaltens im Rahmen der Überschussbeteiligung
(…)
[UAbs. 2] Die nach den in den Absätzen (1) bis (3) genannten Grundsätzen ermittelten Überschussanteile werden in einer zweiten Stufe auf der Grundlage des sonstigen gesundheitsbewussten Verhaltens der versicherten Person weiter modifiziert.
[UAbs. 3] Zur Bemessung des sonstigen gesundheitsbewussten Verhaltens dient derzeit der … Vitality Status der versicherten Person im … Vitality Programm (…)
(…)
[UAbs. 6] Sofern wir keine termingerechte Information über das sonstige gesundheitsbewusste Verhalten erhalten, weil z.B. das … Vitality Programm gekündigt wurde oder der Übermittlung des … Vitality Status widersprochen wurde, wird Ihr Vertrag hinsichtlich dieser Überschüsse für die betroffenen Versicherungsjahre so behandelt, als hätte die versicherte Person sich nicht sonstig gesundheitsbewusst verhalten.
(…)
[UAbs. 8] Die Überschussanteile Ihrer Versicherung können steigen, wenn die versicherte Person durch sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten einen entsprechenden … Vitality Status erreicht, wodurch der Nettobeitrag sinken kann. Umgekehrt können die Überschussanteile Ihrer Versicherung aber auch sinken, wenn die versicherte Person sich weniger sonstig gesundheitsbewusst verhält und einen diesem Verhalten entsprechenden … Vitality Status erhält, wodurch der Nettobeitrag steigen kann. Der Nettobeitrag ergibt sich aus dem um die Überschussanteile reduzierten Betrag. Einzelheiten hierzu, insbesondere zu den von dem … Vitality Status abhängigen jährlichen Zu- oder Abnahmen Ihres Nettobeitrages, sowie zu den in jedem Versicherungsjahr geltenden Grenzwerten und Bezugsgrößen finden Sie in unserem jährlichen Geschäftsbericht; diese Werte werden jährlich im Rahmen der Überschussdeklaration neu festgesetzt.
(…)“
Der Verbraucherschutzverband hält die in den Unterabsätzen 6 und 8 enthaltenen Klauseln wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Versicherungsgesellschaft bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, diese Klauseln zu verwenden.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht München I hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben1. Das Oberlandesgericht München hat die hiergegen gerichtete Berufung der Versicherungsgesellschaft zurückgewiesen2. Und der Bundesgerichtshof hat nun auch die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des beklagten Versicherers zurückgewiesen; die beiden vom Verbraucherschutzverband angegriffenen Teilklauseln hielten einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand:
Die Klausel in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 8 der Versicherungsbedingungen ist wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam. Dem Versicherungsnehmer wird durch die Klausel nicht hinreichend verdeutlicht, nach welchen Maßstäben die in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 2 vorgesehene weitere Modifizierung seiner Überschussbeteiligung (und damit mittelbar die Höhe der von ihm zu leistenden Versicherungsprämie) vorgenommen wird. Für nicht ausreichend erachtet der Senat dabei den Verweis in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 8 auf den Geschäftsbericht des Versicherers, weil auch dort keine abstrakten Regelungen zur Modifikation der Überschussbeteiligung enthalten sind. Aus demselben Grund wird die Transparenz der Klausel auch nicht durch den Versicherungsnehmern übermittelte Informationsschreiben hergestellt.
Die Klausel in § 20 Abs. 4 Unterabsatz 6 ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Auslegung der Klausel ergibt, dass zulasten des Versicherungsnehmers für jeden Fall des Ausbleibens einer Mitteilung über sein sonstiges gesundheitsbewusstes Verhalten unterstellt wird, es habe ein solches Verhalten nicht gegeben. Dies benachteiligt den Versicherungsnehmer deshalb unangemessen, weil ihm hiermit das Risiko einer ausbleibenden Übermittlung auch für den Fall aufgebürdet wird, dass die Versicherungsgesellschaft, ein Dritter oder niemand das Ausbleiben der Übermittlung des sonstigen gesundheitsbewussten Verhaltens zu vertreten hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Juni 2024 – IV ZR 437/22




